Gesetzgebung zur Sorgfaltspflicht: Entwicklungen auf nationaler und EU-Ebene, und wie sich Unternehmen vorbereiten können

August 4, 2021 Hannah Roberts

Die Mitgliedstaaten der Europäischen Union (EU) sind auf dem Weg zu einer verbindlichen Sorgfaltspflicht in der Lieferkette. Neben Ländern wie UK, Frankreich, den Niederlanden und zuletzt Deutschland, die bereits Gesetze verabschiedet haben, sind auch in Norwegen, der Schweiz und anderen Mitgliedstaaten Initiativen in der Diskussion und Ausarbeitung. Gleichzeitig wird der Ruf nach einer EU-weiten Einigung immer lauter und die EU-Kommission hat mit ihrem ersten Richtlinienvorschlag Anfang 2021 bereits striktere Kriterien zur menschenrechtlichen Sorgfaltspflicht aufgezeigt, die über das deutsche Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz hinausgehen. Inmitten der sich entwickelnden und neu beschlossenen Gesetzesinitiativen stehen viele Unternehmen vor der Herausforderung, was diese konkret für ihre Aktivitäten, Prozesse und Lieferketten bedeuten.

Ein wirksames Sorgfaltspflichtenprogramm und Risikomanagementsystem von Grund auf aufzubauen oder es an die sich ändernden Bedürfnisse anzupassen, erfordert den Aufbau von Beziehungen, Kenntnisse über die Lieferkette und vor allem Zeit. Welche Schritte kann Ihr Unternehmen jetzt unternehmen, um sich nicht nur auf das deutsche Gesetz, sondern auch auf europäischer Ebene vorzubereiten?

Die europäische Due-Diligence-Landschaft

In ganz Europa geht eine Ära der freiwilligen Sorgfaltspflicht in der Lieferkette zu Ende. Nach den Pionierleistungen des britischen Modern Slavery Act (2015), dem französischen Duty of Care Act (2017) und dem niederländischen Gesetz zur Sorgfaltspflicht bei Kinderarbeit (2020) hat Deutschland kürzlich das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz verabschiedet. Während sich diese Regelungen auf nationaler Ebene in Bezug auf Umfang und Kriterien unterscheiden, weisen sie einige Gemeinsamkeiten auf. Insbesondere sind Unternehmen, die diesen Vorschriften unterliegen, verpflichtet, öffentlich über ihre Sorgfaltspflichten zu berichten. Solange sie relevante Geschäftsaktivitäten in einem bestimmten EU-Land haben, können Unternehmen den nationalen Sorgfaltspflichtengesetzen unterliegen, auch wenn sie dort nicht ihren Hauptsitz haben, wie das deutsche Gesetz zeigt. Unternehmen jeder Branche, Größe oder geografischen Lage, die Geschäfte mit Einkäufern in der EU tätigen, werden einer verstärkten Prüfung und Transparenzanforderungen ausgesetzt sein, typischerweise in Form von Fragebögen oder Audits.

Zusätzlich zu den Initiativen auf der Ebene der Mitgliedstaaten treibt die Europäische Kommission eine verpflichtende menschenrechtliche und ökologische Sorgfaltspflicht voran. Es wird erwartet, dass ihr Vorschlag 2021 in den Trilog der EU – interinstitutionelle Verhandlungen zur Verabschiedung von EU-Gesetzen – eintritt. Diese neueste Richtlinie wird den bestehenden Berichtsrahmen der Union erweitern und verfolgt einen umfassenden Ansatz in Bezug auf Menschenrechte, Umweltmanagement und Berichtspflichten von Unternehmen.

Sorgfaltspflichten als neue Normalität

Die Entwicklungen bei den laufenden Gesetzesinitiativen zielen darauf ab, zu definieren, wie die unternehmerische Sorgfaltspflicht effektiv umgesetzt werden kann. Durch eine Reihe von Pflichtelementen will der Gesetzgeber sicherstellen, dass die Sorgfaltspflicht über einen "Tick-the-Box"-Ansatz hinausgeht und Best Practices der Branchen einbezieht – ein Aspekt, der für EcoVadis in unserem aktuellen Diskussionspapier von besonderer Bedeutung ist. [PP1] Ein weiterer Trend geht in Richtung Bußgelder bei Nichteinhaltung, wie derzeit in den Niederlanden und Deutschland sowie in den Debatten zur EU-Initiative zu beobachten ist.

Noch bestehen einige Unklarheiten, wenn es um die spezifischen Anforderungen geht, die durch den verpflichtenden Sorgfaltspflichentrahmen der EU definiert werden sollen. So wird auf EU-Ebene entschieden werden müssen, ob Unternehmen die Sorgfaltspflichten vollumfänglich über Tier-1 der direkten Lieferanten hinaus für die gesamte Lieferkette umsetzen werden müssen – eine Frage, die für das französische Gesetz zur Sorgfaltspflicht unbeantwortet bleibt und für das deutsche Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz für mittelbare Lieferanten nur im Falle substantiierter Kenntnis von Risiken oder Verstößen gilt. Ebenso ist noch nicht entschieden, welche spezifischen Elemente der Sorgfaltspflicht – wie Risikoanalysen, Folgenabschätzungen oder Strukturen zur Einbindung von Stakeholdern – in den verpflichtenden Prozess der EU einbezogen werden und ob Unternehmen für Mängel in ihren Sorgfaltspflichten oder für anhaltende Menschenrechtsvorfälle haften werden. Außerdem wird die Richtlinie der Kommission von jedem Mitgliedstaat in nationales Recht umgesetzt werden und möglicherweise die bestehende Gesetzgebung der Mitgliedsstaaten außer Kraft setzen oder verschärfen, was zu weiterer Unsicherheit führen kann. So hat die deutsche Bundesregierung bereits festgelegt, das deutsche Gesetz bis Mitte 2024 zu evaluieren und gegebenenfalls an neue EU-Vorgaben anzupassen. Dies könnte zur Folge haben, dass auch kleinere Unternehmen in Zukunft verpflichtend ihren Sorgfaltspflichten nachkommen müssen, wenn die Grenzwerte der Beschäftigtenzahl gesenkt werden (der erste Vorschlag setzt Unternehmen ab 250 Beschäftigten an) oder gar eine Änderung Kriterien zu Umsatz- und Einkaufsvolumina festgelegt wird.

Aber inmitten der laufenden rechtlichen Entwicklungen gibt es grundlegende Aspekte der verpflichtenden Sorgfaltspflicht, die alle Initiativen gemeinsam haben, egal ob auf nationaler oder europäischer Ebene und unabhängig vom Detailgrad der rechtlichen Verpflichtungen, die sie auferlegen: Die Sorgfaltspflichten-Gesetzgebung erfordert eine verstärkte interne Prüfung des Sozial- und Umweltmanagements in der Lieferkette und externe Transparenz durch erweiterte Berichterstattung.

Neue Reportinganforderungen erfüllen

Auch wenn noch nicht vollständig bekannt ist, welche Anforderungen die EU-Richtlinie zur Sorgfaltspflicht – oder neue nationale Rahmenwerke – mit sich bringen werden, gibt es unmittelbare Maßnahmen, die Unternehmen schon jetzt umsetzen können. Der Aufbau von Lieferantenbeziehungen ist dabei ein wichtiger Aspekt, der Unternehmen dabei hilft, sich auf eine Vielzahl von Due-Diligence-Elementen vorzubereiten, sei es die Risikoanalyse, die Einbeziehung von Stakeholdern oder Etablierung von Strukturen zur Berichterstattung

Unternehmen können damit beginnen, die Akteure in ihrer Lieferkette und deren jeweilige soziale und ökologische Risiken und Auswirkungen zu ermitteln und transparent zu machen. Die Grundlage für eine solide Berichterstattung bildet ein durchdachtes Risikomanagementsystem mit geeigneten Prozessen und Instrumenten für die Einbindung von Lieferanten. Der Aufbau von Lieferantenbeziehungen kann Jahre dauern und ist der Schlüssel zur Gewinnung von Berichtsdaten. Durch frühzeitiges Handeln können Unternehmen ihre Geschäftspartner auf die Bereitstellung von Daten vorbereiten, die benötigt werden, sobald neue Sorgfaltspflichten rechtsverbindlich sind oder bestehende Gesetze erweitert werden.

 

Über den Autor

Hannah Roberts

Hannah Roberts is a Sustainability Ratings Team Leader at EcoVadis dedicated to creating more equitable and sustainable supply chains globally. Prior to joining EcoVadis, she worked as a policy consultant on projects in Europe, Southeast Asia, and the Middle East. She holds a master's degree in Environmental Policy and Management from Columbia University.

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