Die aktuelle Debatte um ein nationales Gesetz zu menschenrechtlichen Sorgfaltspflichten verunsichert insbesondere kleine und mittelständische Unternehmen. Befürworter, Unterstützer und Gegner der Gesetzesinitiative kommunizieren kontinuierlich Argumente, Meinungen und Prognosen zum Geltungsbereich und des Auswirkungen einer solchen Regulierung. Laut aktuellen Stand (Oktober 2020) bezieht sich der Geltungsbereich auf Unternehmen mit mehr als 500 Mitarbeitenden und einem globalen Jahresumsatz über 40 Mio. €.
Warum ein Gesetz auch für kleinere Unternehmen relevant sein wird
Die Ergebnisse des Monitoring zum Nationalen Aktionsplan Wirtschaft und Menschenrechte haben Defizite in der freiwilligen Umsetzung von menschenrechtlichen Sorgfaltspflichten bei deutschen Unternehmen ergeben:
„Die Hälfte der Unternehmen gab an, über ein Verfahren zu verfügen, mit dem die menschenrechtlichen Auswirkungen ermittelt werden (Risikoanalyse). Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass die andere Hälfte der Unternehmen (49,9 Prozent) nicht über eine solche Analyse verfügt. Die meisten Unternehmen, die eine Risikoanalyse durchführen, konzentrieren sich dabei auf den eigenen Betrieb, die direkte Lieferkette und eigene Produkte, Dienstleistungen und Projekte. Weniger Unternehmen analysieren dagegen die indirekte Lieferkette und die Investitionstätigkeit im Hinblick auf menschenrechtliche Auswirkungen.“
Wenn wir also von die Ergebnisse dieser Befragung als aktuelle Basis nehmen, dann identifizieren derzeit 44,6 % der Unternehmen die Risiken in ihren direkten Geschäftsbeziehungen/Lieferkette und 26,1% tun dies für ihre indirekte Lieferkette.
"Die CSR-Praktiken der Tier-1-Zulieferer haben in den letzten Jahren Fortschritte gemacht, aber sie arbeiteten zuerst an ihren eigenen Umweltauswirkungen und dann an den sozialen Auswirkungen, bevor sie sich mit der Frage der Unternehmensethik auseinandersetzen, aber sie nehmen ihre eigene Lieferkette noch nicht in Angriff. Von allen Themen, die wir in unseren CSR-Ratings abdecken, wird die Lieferkette immer am schlechtesten bewertet. Heute haben nur sehr wenige Unternehmen eine Übersicht über die Praktiken ihrer Tier-2-Zulieferer" – Sylvain Guyoton, SVP Research, EcoVadis
Kommt ein Lieferkettengesetz, werden diese Zahlen sich erhöhen “müssen”. Dies bedeutet das eine gesteigerte Anzahl und erhöhte Abdeckung von Lieferanten von ihren Kunden adressiert werden muss, nicht nur bzgl. der Risikoanalyse, sondern auch zur Erfassung der Nachhaltigkeitsleistung in der Lieferkette und Umsetzung Verbesserungsmaßnahmen. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass mehr Transparenz über die gesamte Lieferkette hergestellt werden muss. Diejenigen Unternehmen, die nicht an einer Verbesserung ihrer Nachhaltigkeitsleistung arbeiten und eventuelle Zielvorgaben erfüllen, werden mittelfristig im Wettbewerb zurückfallen und sehen eventuell sogar Bußgeldern entgegen.
Zusätzlich zeigt sich bereits durch die aktuelle Debatte, und verstärkt durch das wachsende gesellschaftliche Bewusstsein für die Klimaproblematik, gesteigerte Forderung nach unternehmerischer Nachhaltigkeit und Verantwortung seitens der Stakeholder, wie Mitarbeiter, Kunden, Investoren. Unternehmen, die weiterhin abwarten oder sich auf ihre traditionellen Renditen verlassen. Nach Schätzungen von Bain & Company kann die Einhaltung von potentiellen zukünftigen Regulierungsmaßnahmen, die von der vollen Wasserpreisgestaltung bis hin zu strengeren Kohlenstoffsteuern reichen, dazu führen, dass ein typisches Konsumgüterunternehmen 20% bis 25% seiner heutigen Margen verlieren könnte.
„In der Nachhaltigkeitsrevolution wird kein Unternehmen unverändert bleiben, und diejenigen, die am schnellsten handeln, werden diejenigen sein, die am Ende die Führungsposition einnehmen“ Bain & Company Studie
Weitere Informationen zu den Ergebnissen des NAP finden Sie hier.
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