Das Lieferkettengesetz (LkSG) hat den Handlungsdruck auf Unternehmen Nachhaltigkeitsrisiken in ihren Lieferketten zu erfassen und zu minimieren immens erhöht und stellt Unternehmen, die bisher in Bezug auf diese Themen wenig strategisch und organisatorisch aufgestellt waren vor enorme Herausforderungen. Wie Unternehmen diese angehen können und warum die Einbindung des Einkaufs und Kommunikation mit Lieferanten ausschlaggebend für eine Compliance mit dem LkSG und den Weg von Compliance hin zu Performance und Wertschaffung sein kann, erläutert Nina Tremel, Team Lead für Customer Onboarding bei EcoVadis.
Während die nachhaltige Beschaffung immer mehr an Bedeutung gewinnt, ist sie für viele Unternehmen noch ein relativ neues Thema. Mit dem Lieferkettengesetz, sowohl dem deutschen wie auch dem europäischen, und weiteren Vorgaben wie der Taxonomie-Verordnung und der CSRD, müssen große wie kleine Unternehmen in die Nachhaltigkeit und Sorgfaltspflichten und damit in die Lieferkette investieren. Der erste Schritt ist oftmals der schwierigste und insbesondere Unternehmen, für die das Thema noch Neuland ist, stehen vor vielen Fragezeichen.
Von Tick-the-box zu Change-Management
Die Frage nach Compliance steht vielerorts im Vordergrund, um eine Haftungsentlastung zu erzielen und damit empfindliche Bußgelder zu vermeiden. Welche Maßnahmen letztendlich als angemessen und damit als compliant bewertet werden, wird erst die Praxis zeigen. Die Praxis wird darüber hinaus auch einen Benchmark mit sich bringen, der die Unternehmen, die einen reinen Compliance-Ansatz verfolgen den Unternehmen gegenüberstellt, die darüber hinausgehen, ihre Maßnahmen intensivieren und wirksame Verbesserungen erzielen.
Damit nachhaltige Praktiken als "business as usual"-Prozess angesehen werden können, braucht es ein Fundament für Strategie, Prozesse und wirksame Change-Management-Maßnahmen. Und es braucht Zeit, damit alle Mitarbeitenden im Unternehmen und insbesondere im Einkauf den organisatorischen Wandel nachvollziehen und mittragen.
Nachhaltigkeit in der Lieferkette startet im Einkauf
Unsere Erfahrung bei EcoVadis in der Praxis zeigt, dass Programme zur nachhaltigen Beschaffung und zum Risikomanagement in der Lieferkette weniger erfolgreich sind, wenn das Fundament und ganzheitliche Ansätze fehlen. Dazu gehört die Entwicklung eines quantifizierbaren Gesamtprogramms für nachhaltige Beschaffung, das Unternehmen dabei hilft, ihre übergreifenden Nachhaltigkeitsziele zu erreichen. Risiken zu identifizieren, reicht alleine nicht aus und die auf den Ergebnissen der Risikoanalyse und der intern identifizierten Verbesserungsbereiche basierende Strategie muss an den Reifegrad der nachhaltigen Beschaffung des Unternehmens angepasst sein, Ziele unter Einbindung aller internen und externen Stakeholder definieren und messbare Kennzahlen festlegen. Wir arbeiten hier z.B. mit unseren Kunden zusammen, um eine Governance-Struktur für ihre Initiative zur nachhaltigen Beschaffung zu empfehlen, um sicherzustellen, dass das Programm die Geschäftsentscheidungen wirksam beeinflussen kann. Hierbei ist es besonders wichtig sicherzustellen, dass Ziele der nachhaltigen Beschaffung im Einklang stehen mit der Mission, der Vision und den übergeordneten Nachhaltigskeitszielen des Unternehmens.
Nachhaltigkeit vollumfänglich integrieren
Oftmals, insbesondere in Bezug auf neue Anforderungen oder wenn Unternehmen gerade erst in das Thema starten, sind Nachhaltigkeitsaspekte nicht vollumfänglich oder kaum in die Beschaffungspraktiken integriert. Es ist nicht ausreichend nur zu prüfen, ob eine Richtlinie oder ein Prozess existiert, sondern eine Überprüfung dieser erforderlich, um Verbesserungsbereiche in Policies, Maßnahmen und auch der Berichterstattung zu identifizieren und Nachhaltigkeit in die Beschaffungsrichtlinien, -prozesse und -systeme zu integrieren. Dazu gehört auch, wie Nachhaltigkeit in die Ausschreibungsprozesse (RFP) und in die Vergabeprozesse von Aufträgen, sowie in die Verfahren des Lieferantenmanagements integriert wird. Workshops mit den internen Stakeholdern sowie Schulungen des Einkaufs sind weiterfolgend wichtige Treiber für eine erfolgreiche Umsetzung der Strategie, Richtlinien und Prozesse.
Aus dem Unternehmen in die Lieferkette
Nur mit einem soliden Fundament können Unternehmen sinnvolle und zielführende Maßnahmen für das Nachhaltigkeitsrisikomanagement und die Umsetzung von Sorgfaltspflichten in der Lieferkette aufbauen. Klare interne strategische Ausrichtungen und Zielsetzungen bilden mit den Ergebnissen des Riskmappings die Basis für die Lieferantenauswahl, Priorisierung von Verbesserungsmaßnahmen sowie für eine klare Zieldefinitionen in Bezug auf die Anforderungen an Lieferanten. Viele Lieferantenunternehmen mögen noch ganz am Anfang des Themas Nachhaltigkeit stehen, umso wichtiger ist es, die Erwartungen seitens des Einkaufs nicht nur klar zu definieren, sondern auch dementsprechend zu kommunizieren, um Akzeptanz und Engagement zu erhalten. Viele der von EcoVadis bewerteten 90.000 Unternehmen erzielen bspw. weitreichende Vorteile und Mehrwerte durch den Nachweis ihrer Nachhaltigkeitsleistung und die Kommunikation ihres Engagements. Diese Vorteile erstrecken sich von erhöhten Ausgabenvolumina, über die Teilnahme an “Preferred Supplier”-Programmen hin zu Neukunden- und Auftragsgewinnung und verbesserter Markenreputation. Damit bietet sich den Lieferanten gleichermaßen die Möglichkeit über “Tick-the-box” hinauszugehen und echte Mehrwerte für ihr eigenes Unternehmen zu generieren. Neben der Kommunikation ist der Aufbau von Capabilities, von Awareness, Know-how und Tools, ein wichtiges Element in den nachhaltigen Beschaffungsprogrammen von Einkaufsorganisationen. Die Schulung von Lieferanten, wie auch im Lieferkettengesetz gefordert, bietet beiden Geschäftspartnerseiten enorme Möglichkeiten, Kompetenzen aufzubauen und somit kontinuierlich die Risiken zu mindern und die Leistung zu verbessern.
Dieser Beitrag wurde usprünglich veröffentlicht in dem Magazin für nachhaltige Beschaffung "Kleine Kniffe" 04/2022.
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