Sustain 2019 – Veranstaltungsrückblick von Andreas Zamostny, S&C

April 5, 2019 Gastautor

Andreas Zamostny ist Mitgründer und Geschäftsführender Gesellschafter der Schlange & Co. GmbH und berichtet im Folgenden über seine Teilnahme an der Sustain 2019 und beschreibt seine Veranstaltungshighlights. 

Im vergangenen Monat habe ich – erstmalig – an der EcoVadis Sustain in Paris teilgenommen. Die Sustain startete am Abend des 11. März mit der gut besuchten Preisverleihung der Sustainable Procurement Leadership Awards, was ein interessanter und kurzweiliger Auftakt zugleich war. Spannend war insbesondere der Vortrag von Jean-Louis Etienne über seine Expeditionen in Arktis und Antarktis, sein „Befundbericht“ zu Klimaveränderungen sowie sein Plädoyer für mehr Klimaschutz. Unweigerlich kommt man hier (mal wieder) zu dem Schluss, dass das aktuelle Klimaschutz-Bestreben nicht ausreichend ist und dass wir uns grundlegend auf veränderte klimatische Bedingungen mit allen Konsequenzen einstellen müssen.

Beim Konferenzprogramm am Dienstag war ich insbesondere vom Vormittagsprogramm überzeugt, welches eine exzellente Auswahl an Rednern und Paneldiskutanten bot. Patrick Thomas’ Beitrag zur Plastik-Thematik und der CCU-Lösung von Covestro war inspirierend. Beeindruckt hat mich auch Shraysi Tandons‘ Arbeit zu „unsichtbarer“ Kinderarbeit. Ihren Film Invisible hands plane ich mit unserem S&C-Team anzuschauen.

Was waren meine drei zentralen Erkenntnisse, die ich von der Sustain mitnehmen konnte?

Nummer 1: Exponentielles Denken

Exponentielle Probleme erfordern exponentielle Lösungen, wie EcoVadis‘ Co-CEO Pierre-François Thaler erläuterte. Das ist auch aus meiner Sicht der richtige Denkansatz, im Kleinen wie im Großen.

Schon länger beobachte ich und störe ich mich daran, dass Unternehmen voller Stolz Maßnahmen in Nachhaltigkeitsberichten beschreiben, die der Kategorie „low hanging fruits“ zuzuschreiben sind und nur eine vergleichsweise geringe Wirkung entfalten. Auch wenn der Grundgedanke von schnell umsetzbaren Maßnahmen richtig ist, besteht vielfach die Gefahr, dass diese von den eigentlich notwendigen Prozess- und Produktveränderungen ablenken. Impact ist hier das Schlüsselwort. Die Abschätzung der Wirkung von Maßnahmen sollte verstärkt bei (strategischen) Entscheidungen mitgedacht werden.

Erkenntnis Nummer 2: Nachhaltigkeit spart Zinsen

Diese Frage wird mir von skeptischen Entscheidungsträgern oft gestellt und ich antworte darauf mit meinem Erfahrungsschatz: Vermeidung von Risiken und Krisen, Sicherung von Kundenvertrauen, Versorgungssicherheit, höhere Umsätze durch nachhaltigere Produkte, Kostensenkung durch Effizienzsteigerungen etc. Doch vielfach kann man diese Mehrwerte nicht genau beziffern oder dem Nachhaltigkeitsmanagement zuordnen.
Neu war für mich, dass die ING Bank das EcoVadis-Scoring zur Zinsberechnung bei Kreditvergaben nutzt und ein gutes Scoring in niedrigen Zinssätzen mündet. Das ist nicht nur aus Sicht von Kreditnehmern interessant, sondern auch für Banken. Ich kann mir gut vorstellen, dass andere Banken dem Beispiel folgen werden und Nachhaltigkeitsbewertungen stärker berücksichtigen, um attraktiv für Geschäftskunden zu sein.

Erkenntnis Nummer 3: CPOs für den Diskurs gewinnen

Auf der Sustain waren neben vielen Fachexperten aus Einkaufsbereichen auch viele CPOs aus französischen wie internationalen Unternehmen anwesend. Mir ist keine Nachhaltigkeitsveranstaltung in Deutschland bekannt, auf welcher über die Implementierung von Nachhaltigkeitsstandards auf dieser Entscheiderebene diskutiert wird und Erfahrungen zur Umsetzung nachhaltiger Beschaffungsprogramme vorgestellt werden.

Hier ist Frankreich wohl weiter als Deutschland, was evtl. auch an der langjährigen (seit 2001) gesetzliche Verpflichtung zur Nachhaltigkeitsberichterstattung börsennotierter Unternehmen bzw. am Gesetz zu Nachhaltigkeit in Lieferketten „Devoir de vigilance”-Gesetz aus 2017 liegt. Ein Wettbewerbsvorteil? In jedem Fall könnten auch in Deutschland Unternehmen von dem Austausch mit CPOs über Entscheidungsgrundlagen und die Chancen und Herausforderungen bei der Implementierung eines nachhaltigen Lieferkettenmanagements profitieren.

Alles in allem war die EcoVadis Sustain eine sehr gelungene Veranstaltung. Was aus meiner Sicht verstärkt werden kann, ist der Dialog mit kritischen Stakeholdern. Aus meiner Sicht wäre es sinnvoll, wenn NGOs und Wissenschaftsvertreter noch stärker vertreten wären, um so auch den Dialog über Herausforderungen und Dilemmata stärker anzuregen. Ich bin davon überzeugt, dass kritische Beiträge und Fragen sowohl auf gesellschaftlicher als auch unternehmerischer Ebene helfen, das Erreichte einzuordnen, neue Denkanstöße zu bekommen und den zukünftigen Kurs zu überprüfen.

Nächstes Jahr plane ich wieder dabei zu sein und freue mich auf inspirierende Gespräche im internationalen Umfeld.

 

Andreas Zamostny ist Mitgründer und Geschäftsführender Gesellschafter der Schlange & Co. GmbH – kurz: S&C. Als Experte für Nachhaltigkeit und Corporate Responsibility (CR) mit mehr als 19 Jahren Praxiserfahrung begleitet er Unternehmen bei Strategieentwicklung und Implementierung, bei dem Aufbau eines nachhaltigen Lieferkettenmanagements, bei der Wirkungsmessung sowie bei der Erstellung von glaubwürdigen CR-Berichten. S&C hat Standorte in Hamburg und New York und ist international tätig.                                              www.schlange-co.com

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