Das Europäische Parlament hat am 1. Juni 2023 über die Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CSDDD oder CS3D) und damit über ein europäisches Lieferkettengesetz abgestimmt - und klare Position bezogen. Eine solide Mehrheit von 366 europäischen Abgeordneten stimmte für die umfassenden Richtlinien, die Unternehmen dazu verpflichten sollen, unter anderem Kinderarbeit und moderne Sklaverei entlang ihrer internationalen Lieferketten zu bekämpfen. 225 Abgeordnete sprachen sich dagegen aus.
Die Position des EU-Parlaments zum Geltungsbereich und Umfang der CSDDD geht über den Vorschlag der EU-Kommission und auch über das deutsche Lieferkettengesetz hinaus.
So sollen die neuen menschenrechtlichen und umweltbezogenen Sorgfaltspflichten für Unternehmen gelten, die ihren Hauptsitz in der EU haben, über 250 Mitarbeitende beschäftigen und einen jährlichen Umsatz von mehr als 40 Millionen Euro weltweit erzielen. Ebenso sollen Unternehmen außerhalb der EU in den Geltungsbereich fallen, sofern sie mehr als 150 Millionen Euro Umsatz erzielen und mindestens 40 Millionen Euro davon in der EU erwirtschaften – und auch die Finanzwirtschaft soll laut dem neuen Entwurf eingebunden werden.
Der bisherige Vorschlag der EU-Kommission adressierte Unternehmen ab 500 Mitarbeitenden und einem Mindestumsatz von 150 Millionen Euro sein, und auch bereits Unternehmen mit mehr als 250 Beschäftigten und einem Umsatz von 40 Millionen Euro, jedoch nur, wenn diese in einer Risikobranche tätig wären. Damit erweitert das EU-Parlament den Geltungsbereich enorm und die CSDDD würde weit mehr als 20.000 Unternehmen allein in der EU betreffen. Zum Vergleich: das LkSG gilt seit 2023 für Unternehmen mit mehr als 3.000. Beschäftigten und wird am 1. Januar 2024 auf 1.000 Mitarbeitende ausgeweitet. Aktuell gilt das LkSG für ca. 900 Unternehmen, jedoch bleibt abzuwarten, ob das deutsche Gesetz möglicherweise angepasst werden muss. Die Möglichkeit zur Anpassung an EU-Vorgaben ist dabei im Gesetz selbst festgehalten.
Was bedeutet die CSDDD für Unternehmen?
Wie auch das deutsche Lieferkettengesetz zielt die europäische Richtlinie auf die Umsetzung umweltbezogener und menschenrechtlicher Sorgfaltspflichten in Lieferketten ab und würde Unternehmen dazu verpflichten, entsprechende Risiken und negative Auswirkungen in ihrer Lieferkette zu identifizieren "und gegebenenfalls zu verhindern, einzustellen oder zu mildern". Ob und wie weit die Verpflichtung und Verantwortung für Unternehmen bestünde, die Sozial- und Umweltstandards auch in der vorgelagerten Lieferkette einzuhalten und sicherzustellen, ist noch unklar.
Sicher ist jedoch, dass die Möglichkeiten das EU-Lieferkettengesetz zu kippen immer geringer werden und die EU-Kommission sowie das EU-Parlament eine klare Position zum Schutz der Menschenrechte in globalen Lieferketten bezogen haben. Deutsche Unternehmen, die erst ab dem kommenden Jahr direkt vom LkSG betroffen sein werden, sollten umso mehr bereits jetzt beginnen, sich vorzubereiten. Und auch Unternehmen, die bisher nur indirekt durch ihre Geschäftsbeziehungen betroffen waren, jedoch nicht in den eigentlichen Geltungsbereich fallen, sollten jetzt damit starten, ihre Nachhaltigkeitsrisiken über das eigene Unternehmen hinaus in ihren Lieferantenbeziehungen zu identifizieren und zu adressieren.
Menschenrechte, ja, aber ...
Die Position des EU-Parlamentes erntet eine Vielzahl an Kritiken von verschiedensten Akteuren. Tatsache ist jedoch, dass sich der globale legislative Sorgfaltpflichtentrend weiter fortsetzen wird und Unternehmen für die Auswirkungen ihrer Geschäftstätigkeiten und Beschaffungspraktiken Verantwortung übernehmen müssen. Die traditionellen Beschaffungskriterien wie Kosten und Zeit können nicht mehr um jeden Preis priorisiert werden und zu Lasten von Menschenrechten, Sozialstandards und Umweltschutz gehen.
Auch wenn das EU-Lieferkettengesetz, wie auch das LkSG, für viele Unternehmen ein Umdenken erfordert und auch viele Herausforderungen mit sich bringt, so bietet es auch eine Vielzahl an Chancen für europäische Unternehmen aller Größen und Branchen eine klare, zukunftsgerichtete und nachhaltige Führungsrolle in der Welt einzunehmen, die People, Planet und Profit miteinander vereint.
Über den Autor
Bei LinkedIn folgen Mehr Inhalte von {{noun}}