Analyse zur Abschaffung des LkSG, zur EU-Lieferkettenrichtlinie (CSDDD) und zur strategischen Bedeutung von Resilienz im Zeitalter regulatorischer Umbrüche
Zwischen Rückzug und Aufbruch – Regulatorische Verwirrung verunsichert Unternehmen
Viele Unternehmen – ob KMU oder Großkonzern – sind derzeit verständlicherweise verwirrt oder verärgert über die sich ständig ändernden Vorgaben im Bereich Nachhaltigkeit und Lieferkette. Die regulatorische Landschaft wirkt zunehmend wie ein „regulatorischer Schleudergang“: Neue Gesetze, Rücknahmen, Unsicherheiten über Fristen, Zuständigkeiten und Pflichten.
Was die Lage zusätzlich erschwert: In sozialen Medien – etwa auf LinkedIn – kursieren zunehmend Fehl- oder Desinformationen, etwa dass „jetzt keine Sorgfaltspflichten mehr gelten“ oder „die EU alles entschärft hat“. Das stimmt so nicht – im Gegenteil.
Die Fakten zur aktuellen Rechtslage in Deutschland
1. Das LkSG gilt – mit Einschränkungen
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Das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz wurde nicht vollständig aufgehoben, sondern soll politisch ersetzt werden.
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Die Berichtspflichten sind vorübergehend ausgesetzt, Kernpflichten zur Risikoanalyse, Prävention und Abhilfe bleiben aber bestehen.
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Für schwere Menschenrechtsverletzungen gelten weiter klare Vorgaben und Sanktionsmöglichkeiten.
Ein wichtiger Punkt zur Einordnung: Die im Koalitionsvertrag angekündigte Abschaffung des LkSG ist rechtlich noch nicht in Kraft.
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Der Koalitionsvertrag muss zunächst von den Parteien angenommen werden. Die Mitglieder der SPD und CDU/CSU stimmen darüber bis zum 27. April 2025 ab.
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Sollte der Vertrag unverändert akzeptiert werden, muss anschließend ein Gesetzgebungsverfahren eingeleitet werden, um das LkSG formell zu ändern. Das bedeutet: ein Gesetzentwurf, drei Lesungen im Bundestag, Zustimmung des Bundesrats.
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Die Sommerpause des Bundestages im Juli/August könnte die Verabschiedung verzögern.
Das heißt: Es ist keineswegs garantiert, dass die angekündigte Abschaffung wie geplant – und vor allem schnell – erfolgt. Unternehmen sollten weiterhin vorbereitet bleiben. Zudem ist zu beachten, dass das BAFA auch in der Vergangenheit aktiv Informationsabfragen durchgeführt hat, unabhängig vom Status der Berichtspflicht.
2. Die EU-Richtlinie CSDDD wird national umgesetzt
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Die CSDDD (Corporate Sustainability Due Diligence Directive) ist beschlossene Sache und wird in den kommenden Jahren in deutsches Recht überführt.
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Sie bringt eine Erweiterung der Sorgfaltspflichten auf die gesamte Wertschöpfungskette sowie zivilrechtliche Haftungsregeln.
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Unternehmen, die jetzt abbauen, werden später unter Umstäden doppelt investieren müssen, um EU-konform zu werden.
Klar ist:
Aktuell gibt es keine vollzogene Abschaffung des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes (LkSG) – die gesetzliche Grundlage bleibt bis auf Weiteres bestehen. Gleichzeitig steht mit der EU-Lieferkettenrichtlinie (CSDDD) ein neuer, europaweit geltender Rechtsrahmen bevor, der die Sorgfaltspflichten ausweitet – wenn auch mit möglichen Anpassungen im Rahmen des sogenannten Omnibus-Verfahrens. Unabhängig von nationalen oder europäischen Gesetzesänderungen bleiben internationale Standards wie die UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte sowie die OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen von zentraler Bedeutung: Zwar sind sie rechtlich nicht bindend, doch sie bilden die Grundlage für ESG-Erwartungen weltweit – sowohl aus regulatorischer als auch aus reputationsbezogener Sicht.
Was bedeutet das für Ihre Compliance?
In der aktuellen Dynamik rund um Nachhaltigkeitsregulierungen ist eine klare, faktenbasierte Orientierung wichtiger denn je. Wer die tatsächliche Gesetzeslage kennt, kann Fehlinformationen entkräften und fundierte Entscheidungen treffen – ein entscheidender Vorteil in Zeiten zunehmender Verunsicherung. Dabei geht es nicht um kurzfristige Erfüllung von Compliance-Anforderungen, sondern um den Aufbau langfristiger Resilienz: Lieferkettengesetzgebung soll Unternehmen befähigen, Risiken frühzeitig zu erkennen, Schäden vorzubeugen, Haftung zu vermeiden und die eigene Reputation zu schützen.
Vom LkSG zu Resilienz
Am Anfang war das LkSG: ein früher und mutiger Versuch, ESG-Risikomanagement für Lieferketten gesetzlich zu verankern. Es basierte auf einem Grundgedanken: präventive Risikoidentifikation und -minderung. Das Gesetz hat damals bei vielen Unternehmen eine relative Hektik ausgelöst und Unternehmen zum kurzfristigen Handeln gezwungen. Der Fokus lag auf schneller Umsetzung und „Pflichterfüllung“, nicht auf strategischer Verankerung.
Mit der Veröffentlichung von CSRD und CSDDD stieg die Verunsicherung weiter. Und nun, im Jahr 2025, sehen wir die nächste Welle: Verzögerungen, Rücknahmen, politische Neuverhandlungen.
Gleichzeitig erleben wir die volatilsten Rahmenbedingungen der letzten Jahrzehnte:
🔺 Handelskonflikte
🔺 Rezessionsrisiken
🔺 Kriege und geopolitische Unsicherheiten
🔺 Klimakatastrophen und Lieferkettendisruptionen
Unternehmen stehen heute nicht nur vor der Frage: „Wie erfülle ich Vorschrift XY?“
Sondern vielmehr:
„Wie mache ich mein Geschäftsmodell resilient gegen externe Schocks – regulatorisch, ökonomisch, ökologisch?“
Die zentrale Erkenntnis lautet:
In einer Welt, in der sich Regulierungen ändern können – Risiken aber bleiben –, gewinnt strategisches Risikomanagement, Resilienz und Zukunftsorientierung den entscheidenden Wert.
Was jetzt zählt: Resilienz, Strategie, Realitätssinn
Was jetzt zählt, ist eine vorausschauende Anpassung statt Rückschritte. Unternehmen, die diese Übergangsphase und das LkSG nutzen, um ihre Systeme zu stabilisieren, ihre Lieferketten zu analysieren und ESG-Strategien zu stärken, schaffen echten unternehmerischen Mehrwert – jenseits von regulatorischen Veränderungen.
Empfehlungen für Unternehmen:
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Behalten Sie bestehende LkSG-Strukturen bei – sie sind die Basis für die CSDDD.
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Nutzen Sie die Übergangszeit zur Prozessoptimierung und zur Integration von Lieferkettenthemen in Ihre Compliance- und ESG-Strategien.
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Bereiten Sie sich auf den europäischen Rechtsrahmen vor: Lieferantenmanagement, Vertragsklauseln, Risikokartierungen und Klimapläne gehören auf die Roadmap.
Weniger Rückschritte, mehr Klarheit
Der Eindruck, dass "alles wieder zurückgenommen wurde", ist eine gefährliche Illusion. Ja, es gibt politische Verschiebungen. Aber der Trend – national wie europäisch wie global – ist klar: Sorgfaltspflichten, Transparenz und Klimaverantwortung werden weiter verschärft.
Wer jetzt in Kompetenz, Prozesse und Systeme investiert, gewinnt:
✅ Rechtssicherheit
✅ Resilienz in der Lieferkette
✅ Vertrauen bei Stakeholdern
✅ Innovationsvorsprung
Und vor allem: Handlungssicherheit in einem unruhigen Umfeld.
Zugleich wird Nachhaltigkeit immer stärker zum strategischen Wettbewerbsfaktor. Unternehmen, die ESG-Risiken aktiv steuern, positionieren sich nicht nur regulatorisch robust, sondern auch als verlässliche und zukunftsorientierte Partner für Kunden, Investoren und die öffentliche Hand. Damit das gelingt, braucht es technologische Lösungen, die über Einzelverordnungen hinausdenken. Viele Unternehmen haben in den letzten Jahren Softwarelösungen oder Beratungsprodukte eingeführt, die auf einzelne Vorgaben wie das LkSG oder die CSRD ausgelegt waren. Dabei wurde oft übersehen: ESG-Management ist kein Einmalprojekt, sondern ein laufender, lernender Prozess. Entscheidend ist eine technologiebewusste Umsetzung: Tools und Systeme müssen flexibel, skalierbar und in bestehende Prozesse integrierbar sein – als Bestandteil einer ganzheitlichen und tragfähigen Unternehmensstrategie.
Wer jetzt vorausschauend handelt, legt das Fundament für langfristige Stabilität.
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