Was bedeutet das Sorgfaltspflichtengesetz für Unternehmen?

March 31, 2021 Pia Pinkawa

Überblick über Anforderungen und Maßnahmen

Anfang März hat sich das Bundeskabinett nach ausführlichem NAP-Monitoring und langwierigen Diskussionen über den Umfang und die Ausgestaltung einer gesetzlichen Lösung auf einen Referentenentwurf des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales zum Sorgfaltspflichtengesetz (Lieferkettengesetz) geeinigt. Das Gesetz hat zum Ziel, die internationale Menschenrechtslage zu verbessern, indem Unternehmen ab einer bestimmten Größe zu einem verantwortungsvollen Lieferkettenmanagement basierend auf den Kernelementen der menschenrechtlichen Sorgfaltspflicht verpflichtet werden.

Für wen gilt das Sorgfaltspflichtengesetz?

Ab dem 01.01.2023 gilt das Gesetz zunächst für Unternehmen mit mindestens 3.000 Beschäftigten und wird am 01.01.2024 auf Unternehmen mit mindestens 1.000 Beschäftigten ausgeweitet. Es gilt das Kriterium der Ansässigkeit, das heißt die Hauptverwaltung, die Hauptniederlassung, der Verwaltungssitz oder der satzungsmäßige Sitz muss im Inland sein. Nach dem Unternehmensregister gibt es in Deutschland 2.891 Unternehmen mit 1.000 oder mehr Beschäftigten. Die Beschäftigtenanzahl schließt Leiharbeitnehmer*innen (auch im Ausland) mit ein, wenn der Einsatzzeitraum 6 Monate übersteigt. Bei Konzernen werden die Beschäftigten aller konzernangehörigen Unternehmen in die Arbeitnehmerzahl der Konzernmutter einbezogen. Jedoch ist nicht nur der Status-Quo der Beschäftigtenanzahl relevant, sondern sowohl eine rückblickende wie auch prognostische Betrachtung (in ausreichend bemessenem Zeitraum) der Personalentwicklung und Personalstrategie erfordert, um zu bewerten, ob das Unternehmen an die Sorgfaltspflichten gebunden ist.

Basierend auf dem NAP-Monitoring geht das BMAS davon aus, dass „636 Unternehmen die Kriterien des Lieferkettengesetzes bereits erfüllen und somit 2.255 Unternehmen diesen neu nachkommen müssen.“

Jedoch werden auch Unternehmen mit weniger Beschäftigten zumindest indirekt betroffen sein, wenn sie beispielsweise als Zulieferer für Unternehmen im Geltungsbereich des Gesetzes tätig sind und ihre menschenrechtsbezogenen Praktiken gegenüber ihrem Geschäftspartner nachweisen müssen.

„Die Lieferkette im Sinne dieses Gesetzes bezieht sich auf alle Produkte und Dienstleistungen eines Unternehmens. Sie umfasst alle Schritte im In- und Ausland, die zur Herstellung der Produkte und zur Erbringung der Dienstleistungen erforderlich sind, angefangen von der Gewinnung der Rohstoffe bis zu der Lieferung an den Endkunden und erfasst

• das Handeln des Unternehmens im eigenen Geschäftsbereich

• das Handeln von direkten Zulieferern und

• das Handeln von indirekten Zulieferern“ (§ 2, Abs. 5)

Auch Personen „die in sonstiger Weise von der wirtschaftlichen Tätigkeit des Unternehmens oder von Unternehmen in seinen Lieferketten in einer geschützten Rechtsposition unmittelbar betroffen sein können“, müssen angemessen berücksichtig werden (§4, Abs. 4).

Bis zum 30. Juni 2024 wird auf Grundlage der eingegangenen Berichterstattung der Unternehmen geprüft werden, ob die einbezogenen Unternehmensgrößen angepasst werden sollten und auch im Zuge einer europäischen Regelung sind Anpassungen vorgesehen, wenn erforderlich.

Worauf basiert das Sorgfaltspflichtengesetz?

Das Rad wurde nicht neu erfunden. Das Sorgfaltspflichtegesetz (SpfG) orientiert sich am Due-Diligence Standard der UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte und am Nationalen Aktionsplan und führt Menschenrechte und menschenrechtsrelevante Aspekte und Kriterien auf, bei denen es sich „weitgehend (um) universell ratifizierte völkerrechtliche Verträge zum Schutz der Menschenrechte“, wie internationalen Pakten, ILO-Übereinkommen, dem Übereinkommen von Minamata (Quecksilber und dem POPs-Übereinkommen (persistente organische Schadstoffe). Die menschenrechtsbezogenen Risiken, auf die sich diese Übereinkommen beziehen und die auch das SpfG adressiert, umfassen u.a. Themen wie Zwangsarbeit und Sklaverei, Kinderarbeit, Missachtung von Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz, Umweltschäden, Missachtung der Koalitionsfreiheit (Gewerkschaften) und allgemeine Ungleichbehandlung auf Grund von nationaler und ethnischer Abstammung, sozialer Herkunft, Gesundheitsstatus, Behinderung, sexueller Orientierung, Alter, Geschlecht, politischer Meinung, Religion oder Weltanschauung im Sinne des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes.

Umweltschutz und Korruptionsbekämpfung sind ebenfalls erfasst und relevant, wenn Menschenrechte durch Missachtung, wie Umweltschädigungen oder Korruption, betroffen sind.

! Alle im SpfG angeführten Übereinkommen und Standards sind in der EcoVadis Methodologie in den Themen Arbeits- und Menschenrechte (LAB), Umwelt (ENV) und Ethik (FBP) abgedeckt.

Welche Anforderungen an Unternehmen hat das Sorgfaltspflichtengesetz?

Zunächst ist wichtig, dass die Sorgfaltspflicht und die damit verbundenen Maßnahmen Bemühens- und keine Erfolgspflicht vorsehen. Unternehmen müssen nicht (und können nicht) garantieren, dass in ihrem Geschäftsumfeld und ihren Lieferketten keine menschenrechtlichen und umweltbezogenen Aspekte verletzt werden. Allerdings müssen sie entsprechende Maßnahmen und Prozesse nachweisen, die in Bezug auf die eigenen Aktivitäten und Geschäftsbeziehungen angemessen und umsetzbar sind, um die Risiken zu adressieren und zu minimieren.

„Das Risikomanagement dient dem Ziel, menschenrechtliche Risiken und Rechtsgutsverletzungen entlang ihrer Lieferketten zu identifizieren, zu verhindern, zu beenden oder zumindest zu minimieren, soweit eine Beendigung nicht möglich oder mit einem unverhältnismäßigen Aufwand verbunden ist.“

Angemessenheit bedeutet in diesem Kontext auch, welchen Einfluss das einzelne Unternehmen auf ein bestimmtes Risiko oder auch einen bestimmten Lieferanten hat bzw. nehmen kann. Dementsprechend fordert das Gesetz die Implementierung eines Risikomanagementsystems, das die menschenrechtlichen Aspekte abdeckt.

„Unternehmen müssen ein angemessenes und wirksames Risikomanagement einrichten. Das Risikomanagement ist in allen maßgeblichen Geschäftsabläufen durch angemessene Maßnahmen zu verankern.“ (§4, Absatz 1)

Abhängig von der Nähe und der Einflussmöglichkeit des Unternehmens verändern sich die Anforderungen an die zu ergreifenden Maßnahmen.

Insgesamt umfassen die Sorgfaltspflichten 9 übergeordnete Maßnahmen:

1. die Einrichtung eines Risikomanagements (§ 4 Absatz 1),

2. die Festlegung einer betriebsinternen Zuständigkeit (§ 4 Absatz 3),

3. die Durchführung regelmäßiger Risikoanalysen (§ 5),

4. die Verabschiedung einer Grundsatzerklärung (§ 6 Absatz 2),

5. die Verankerung von Präventionsmaßnahmen im eigenen Geschäftsbereich (§ 6 Absatz 1 und 3) und gegenüber unmittelbaren Zulieferern (§ 6 Absatz 4),

6. das Ergreifen von Abhilfemaßnahmen (§ 7 Absätze 1 bis 3),

7. die Einrichtung eines Beschwerdeverfahrens (§ 8),

8. die Umsetzung von Sorgfaltspflichten in Bezug auf Risiken bei mittelbaren Zulieferern (§ 9) und

9. die Dokumentation (§ 10 Absatz 1) und die Berichterstattung (§ 10 Absatz 2).

Mehr über die konkreten Maßnahmen zur Erfüllung der Sorgfaltspflicht finden Sie in unseren Deep Dives: 


Erfahren Sie mehr darüber, wie EcoVadis Sie und Ihr Unternehmen bei der menschenrechtlichen Sorgfaltspflicht unterstützen kann und vereinbaren Sie jetzt einen Termin.

 


* Zitate entstammen dem Gesetzentwurf der Bundesregierung 'Entwurf eines Gesetzes über die unternehmerischen Sorgfaltspflichten in Lieferketten'

Über den Autor

Pia Pinkawa

Als externe freiberufliche Expertin für nachhaltige Lieferketten, Kommunikation und Marketing unterstützt Pia EcoVadis in der deutschsprachigen Region. Sie ist zertifizierte interkulturelle Trainerin, Germanistin und Italianistin mit journalistischem Hintergrund und hat mehr als 7 Jahren Erfahrungen in den Bereichen verantwortungsvolle Beschaffung und globale Lieferketten.

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