Die vergangenen Wochen waren ein Auf und Ab in der politischen und gesellschaftlichen Debatte um die europäische Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CSDDD). Die wiederholten Verschiebungen der Abstimmung haben auf Unternehmensseite vielerorts vor allem eins geschaffen: Unsicherheit und auch Abwartehaltung.
Warum Unternehmen in der EU und darüber hinaus aktuell auch ohne gesetzlich vorgeschriebene Sorgfaltspflichten schnellstmöglich aktiv werden sollten, erfahren Sie in diesem Blogbeitrag.
1. Die Messlatte liegt bereits höher
In vielen europäischen Staaten, wie Frankreich, UK, Niederlande, Norwegen und Deutschland gelten bereits Sorgfaltspflichtengesetze, die sich allerdings in ihrem Umfang und der Ausgestaltung stark unterscheiden. Die CSDDD würde europaweit ein Level-Playing-Field schaffen, in dem die Anforderungen und Bedingungen zur Due Diligence für die adressierten Unternehmen gleich wären. Gleichermaßen nehmen die Sorgfaltspflichtengesetze weltweit zu, d.h. mittelfristig betrachtet, werden diese Anforderungen im globalen Handel und vernetzten Geschäftsbeziehungen weitergetragen werden. So haben deutsche Unternehmen, die unter das LkSG fallen, bereits im letzten Jahr verstärkt auch ihre Geschäftspartner innerhalb und außerhalb Deutschlands angefragt, Nachweise zur eigenen Nachhaltigkeit zu erbringen und darüber hinaus in ihren eigenen Lieferketten die Risiken zu ermitteln. Sprich, Regulierungen, die ein Unternehmen nicht direkt betreffen, können dies indirekt durch globale Partnerschaften tun und auf diesem Wege neue Anforderungen ins Hause tragen.
2. CSDDD ist nur ein Puzzleteil
Mit dem EU Green Deal legt Europa einen Schwerpunkt auf die grüne und nachhaltige Transformation. Diese zentrale Initiative der Europäischen Union zielt darauf ab, Europa bis 2050 zum ersten klimaneutralen Kontinent zu machen und umfasst weitreichende Maßnahmen und Richtlinien zur Unterstützung der Transformation. Von Mobilität bis hin zur Förderung der Kreislaufwirtschaft und Schutz der Biodiversität. So wurde zuletzt die EU-Entwaldungsrichtlinie verabschiedet und das Gesetz zur Wiederherstellung der Natur ist in der Endphase. Auch die nicht-finanzielle Berichterstattung weitet sich aus und stellt mit der Corporate Sustainability Reporting Directive bereits neue Anforderungen an die erforderlichen Maßnahmen und entsprechende Berichterstattung von Unternehmen. Die menschenrechtliche Sorgfaltspflicht, wie in der CSDDD oder auch im LkSG gefordert, ist demzufolge nur ein Thema von vielen, mit denen Unternehmen sich auseinandersetzen müssen. Nachhaltigkeit zieht regulatorisch in alle Bereiche hinein. Ein proaktives Vorgehen in Bezug auf ganzheitliche Nachhaltigkeit – Menschenrechte und Umwelt bis in die Lieferketten inkludierend - bereitet Unternehmen darauf vor, diesen und zukünftigen Anforderungen effektiv zu begegnen und im Benchmark mit anderen Unternehmen zukünftig standzuhalten.
3. Risiken werden nicht von alleine weniger
Nachhaltigkeitsverstöße waren lange Zeit besonders Image- und Reputationsschäden, in den seltenen Fällen mit langfristiger Negativwirkung. Nicht nur drohen bereits jetzt vielfältige Sanktionen, sondern insbesondere besteht ein verändertes Risikoportfolio in globalen Geschäftsbeziehungen für Unternehmen. Nachhaltigkeitsrisiken stehen nicht nur im Fokus, sie nehmen auch zu. Durch den Klimawandel gesteigerte Naturkatastrophen, Dürreperioden und andauernde Hitze finden nicht mehr nur „anderswo“, sondern auch direkt vor unserer Haustür statt. Lieferketten, Produktion und Widerstandsfähigkeit von Unternehmen werden dadurch zunehmend auf die Probe gestellt. Zwischen Menschenrechten und Umwelt besteht eine direkte Korrelation, die nicht immer in Betracht gezogen wird. Ein Beispiel ist der Zusammenhang von Extremwetterereignissen und Hunger: „Klimaschocks können sich schnell zu massiven Ernährungskrisen entwickeln, indem sie Land und Boden, Viehbestand und Nahrungsvorräte zerstören“, sagte Gernot Laganda, Leiter für Klima- und Katastrophenvorsorge beim Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen in einer öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Menschenrechte und humanitäre Hilfe zum Thema „Menschenrechte und Klimakrise“ 2021 (Quelle). Es ist also unabhängig von der CSDDD unabdingbar, dass Unternehmen die umweltbezogenen und menschenrechtlichen Risiken in ihrem eigenen Geschäftsbereich, in ihren Lieferketten und den verbundenen Impact unter einem ganzheitlichen Nachhaltigkeitsmanagementansatz betrachten.
4. Erreichung der Nachhaltigkeitsziele vor Compliance
Das aktuelle Sustainable Procurement Barometer* von EcoVadis und Accenture zeigt im Vergleich zu den Ergebnissen von 2021 einen überzeugenden Trendwandel bei den Faktoren und Gründen, warum sich Unternehmen für nachhaltige Beschaffung engagieren. Der Hauptfokus der meisten nachhaltigen Beschaffungsprogramme liegt auf der Ausrichtung an den Nachhaltigkeitszielen des Unternehmens und der Einhaltung gesetzlicher Vorgaben.
Nicht weniger als 71 % der Unternehmen weltweit nannten die Nachhaltigkeitsziele des Unternehmens als einen von drei Hauptgründen für die Einführung und Ausbau der nachhaltigen Beschaffung. Dies bedeutet einen deutlichen Anstieg gegenüber 63 % im Jahr 2021. Dies ist wahrscheinlich ein Hinweis auf einen breiteren Trend, bei dem Unternehmen, die sich öffentlich zu Netto-Null-Zielen und anderen Nachhaltigkeitszielen verpflichtet haben, die entscheidende Rolle erkennen, die ihre Lieferketten bei der Erreichung dieser Ziele spielen.
Die Einhaltung von Vorschriften im Einkauf und der Lieferkette spielt als zweite Priorität weiterhin eine wichtige Rolle in der Beschaffung, wenn auch mit einem Rückgang von 68 % auf 59 %.
Programme zur nachhaltigen Beschaffung konzentrieren sich zunehmend auf strategische Ziele, die über die traditionellen kostenorientierten Modelle und reine Compliance hinausgehen. Es gibt eine klare Verlagerung hin zur Integration von Nachhaltigkeit in den Kern des Geschäftsbetriebs, was einen transformativen Ansatz signalisiert, der ein Gleichgewicht zwischen unmittelbarem Risikomanagement, Compliance und langfristiger Wertschöpfung und Innovation anstrebt.
Fazit
Die wiederholten Verschiebungen der Abstimmung zur CSDDD sollten Unternehmen nicht davon abhalten, jetzt damit zu beginnen Maßnahmen umzusetzen, die nicht nur essentiell für ein solides Risikomanagement in der Lieferkette sind und zum Schutz von Menschenrechten und Umwelt beitragen, sondern die Grundlage für ihre eigene Geschäftskontinuität und Wertschöpfung schaffen. Die Beschaffung und Lieferketten sind einer der größten Hebel für positiven Impact - von Emissionsreduktion bis zu Living Wages.
Über den Autor
Bei LinkedIn folgen Mehr Inhalte von {{noun}}