Die sechste Horváth CxO Priorities Study (2025) bringt eine spannende Verschiebung ans Licht: Während in den letzten Jahren die Dekarbonisierung und die Umsetzung ambitionierter ESG-Ziele ganz oben auf der Agenda standen, erleben wir derzeit ein Zwischenhoch an Pragmatismus. CxOs weltweit stellen kurzfristig Effizienz und Kostenkontrolle vor Nachhaltigkeitsinvestitionen – ohne diese jedoch grundsätzlich in Frage zu stellen. Auf den ersten Blick mag dies pragmatisch erscheinen. Doch bei genauerer Betrachtung zeigt sich: Resilienz ohne Nachhaltigkeit bleibt eine Illusion.
Kurzfristiger Pragmatismus
Rund ein Fünftel der befragten Unternehmen erwägt, die Geschwindigkeit der Transformation zu verlangsamen. Gründe sind steigende Kosten, unsichere geopolitische Rahmenbedingungen und der Druck, Margen zu sichern. Nachhaltigkeitsinitiativen werden deshalb strenger auf ihren Business-Case geprüft.
Gleichzeitig machen die Studienautor*innen deutlich: Die langfristigen Net-Zero-Verpflichtungen bleiben bestehen, und auch die F&E-Budgets für grüne Innovationen werden kaum gekürzt. Unternehmen schalten also nicht ab – sie treten lediglich auf die Bremse.
Der Preis des Aufschubs
Diese „Pause-Taste“ birgt Risiken:
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Reputationsgefahr – Stakeholder, Investoren und Kunden erwarten sichtbare Fortschritte. Wer seine Klimaziele verwässert, verliert Glaubwürdigkeit.
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Regulatorischer Druck – auch wenn die EU mit der CSDDD noch ringt, wächst der Rahmen aus EU-Taxonomie, CSRD und Sektorregulierungen stetig weiter. Unternehmen, die bremsen, riskieren später kostspielige Nachrüstungen.
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Wettbewerbsfähigkeit – Nachhaltigkeit ist längst kein „Nice-to-have“, sondern ein Treiber für Innovation und Marktzugang, insbesondere in B2B-Lieferketten.
Warum Nachhaltigkeit Resilienz stärkt
Der scheinbare Gegensatz zwischen kurzfristiger Resilienz und langfristiger Nachhaltigkeit ist trügerisch. Tatsächlich sind beide eng miteinander verwoben:
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Lieferkettensicherheit: Klimarisiken, Ressourcenknappheit und soziale Spannungen bedrohen die Stabilität globaler Wertschöpfung. Wer nachhaltig einkauft und produziert, reduziert Verwundbarkeiten.
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Energie- und Kostenstabilität: Investitionen in Energieeffizienz und erneuerbare Energien senken Abhängigkeiten von volatilen Märkten und geopolitischen Konflikten.
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Reputation und Marktzugang: Kunden und Investoren erwarten klare Fortschritte. Unternehmen, die Nachhaltigkeit glaubwürdig verankern, schaffen Vertrauen – eine entscheidende Währung in Krisenzeiten.
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Regulatorische Resilienz: Wer frühzeitig Nachhaltigkeitsstandards erfüllt, ist besser gegen zukünftige Vorgaben gewappnet und vermeidet teure Anpassungen unter Zeitdruck.
Kurz gesagt: Nachhaltigkeit ist keine Konkurrenz zur Resilienz – sie ist ihre Voraussetzung.
Der Balanceakt für CxOs
Die zentrale Herausforderung liegt darin, kurzfristige Effizienzsteigerungen mit langfristiger Transformation zu verbinden. Die Horváth-Studie zeigt: Viele Unternehmen suchen genau diesen Mittelweg, indem sie operative Kosten senken, gleichzeitig aber Innovation und F&E auf Kurs halten.
Das bedeutet: Resilienz durch Effizienz darf nicht zum Selbstzweck werden. Erst wenn Effizienzgewinne in eine nachhaltige Transformation reinvestiert werden, entsteht robuste Widerstandsfähigkeit – wirtschaftlich wie ökologisch.
Fazit: Resilienz ohne Nachhaltigkeit ist nur kurzfristig tragfähig
Die Studienergebnisse verdeutlichen: Wer Nachhaltigkeit hintanstellt, riskiert langfristig die eigene Widerstandsfähigkeit. CxOs stehen daher vor einer klaren Aufgabe – die aktuellen „Back-to-Basics“-Prioritäten nicht als Abkehr von Nachhaltigkeit zu interpretieren, sondern als Chance, Effizienz und Transformation gemeinsam voranzutreiben.
Nachhaltigkeit und Resilienz sind zwei Seiten derselben Medaille. Nur wer beide integriert, wird den Anforderungen einer unsicheren, fragmentierten Welt gerecht.
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