Nachhaltigkeitsleistungen deutscher Unternehmen im internationalen Vergleich: Einblicke aus dem EcoVadis Index 2025

August 5, 2025 EcoVadis DE

Nachhaltigkeit rückt im Zuge regulatorischer Verschärfungen und wachsender Stakeholderanforderungen zunehmend in den Fokus unternehmerischer Verantwortung. Der jährlich erscheinende Nachhaltigkeitsindex von EcoVadis bietet einen datenbasierten Vergleich der Nachhaltigkeitsleistungen von Unternehmen weltweit. Der vorliegende Bericht analysiert die Position Deutschlands im internationalen Vergleich anhand der Daten für das Jahr 2024. Er zeigt Stärken, Schwächen und konkrete Handlungsfelder für deutsche Unternehmen, insbesondere im Bereich nachhaltiger Beschaffung und menschenrechtlicher Sorgfaltspflichten.

1. Gesamtniveau: Deutschland im soliden Mittelfeld, aber mit begrenzter Exzellenz


2024 erreichen 63 % der in Deutschland bewerteten Unternehmen die EcoVadis Kategorie "Gut" (Punktzahl 45-64), weitere 20 % erzielen "Fortgeschritten"-Bewertungen (65-84). Damit liegt Deutschland zwar über dem globalen Durchschnitt, jedoch deutlich hinter den Spitzenreitern Schweden und Frankreich, bei denen jeweils 35 % der Unternehmen als "Fortgeschritten" eingestuft werden. Auch im EU-weiten Vergleich (27 % "Fortgeschritten") zeigt sich ein Aufholbedarf.

2. Positive Entwicklung: Deutschland legt zu, bleibt aber unter Potenzial


Im Vierjahresvergleich (2020–2024) steigt der durchschnittliche EcoVadis Score deutscher Unternehmen von 50,3 auf 55,4 Punkte. Dieses Plus von 5,1 Punkten liegt auf Augenhöhe mit der EU (5,3 Punkte) und dem OECD-Durchschnitt (5,0 Punkte), bleibt aber hinter Asien-Pazifik (+7,6 Punkte) und Schweden (+6,4 Punkte) zurück. Insbesondere der Nachholbedarf in Asien wird durch die starke Dynamik deutlich, die den Druck auf etablierte Industrienationen wie Deutschland erhöht, die eigene Ambition nachzuschärfen.

 

3. Wiederholte Assessments wirken: Reifegrad steigt mit Monitoring


Die Wirkung kontinuierlicher Nachhaltigkeitsbewertungen zeigt sich klar: In Deutschland erzielen Unternehmen mit zwei oder mehr EcoVadis Ratings im Jahr 2024 durchschnittlich 58,4 Punkte – ein Plus von 8 Punkten gegenüber Unternehmen mit nur einer Bewertung (50,4 Punkte). Dieses Muster zeigt sich ähnlich in anderen Regionen. Die Zahlen belegen, dass Nachhaltigkeitsmanagement ein Reifeprozess ist, der durch Regelmäßigkeit, Feedback und Lernen messbar verbessert wird.

 

4. Thematischer Fokus: Defizite bei nachhaltiger Beschaffung


Ein besonders kritisches Ergebnis zeigt sich im Thema "Sustainable Procurement": Hier erzielt Deutschland mit durchschnittlich rund 45 Punkten über alle Unternehmensgrößen hinweg den niedrigsten Wert unter den betrachteten Ländern. Frankreich, Schweden und die Schweiz schneiden hier signifikant besser ab. Dies ist insbesondere im Kontext des LkSG relevant, das gerade im Bereich Einkaufspraktiken konkrete Nachweispflichten für Unternehmen vorsieht. Dennoch erzielen auch große deutsche Unternehmen im Bereich nachhaltige Beschaffung in 2024 nur 48,4 Punkte (vs. Frankreich 58,3 Punkte). 

Interessant ist jedoch ein Blick auf die Nachhaltigkeitsleistung der Lieferanten deutscher Unternehmen. In 2020 lag diese im Gesamtdurchschnitt in China bei 36,7  und in APAC bei 39,6 Punkten - deutschlandweit stammen etwa 11,9 % aller Warenimporte aus China und ca. 22 % aus der APAC-Region. In 2024 verbessert China die durchschnittliche Gesamtpunktzahl auf 45,7 und (+8,4) und APAC auf 47,3 Punkte (+7,7). Im Jahr 2024 erlebten wir weltweit einen deutlichen Schub in Richtung Transparenz in der Lieferkette, wobei das Bewertungsvolumen in allen Regionen zunahm. China verzeichnete einen bemerkenswerten Anstieg der Bewertungen um 37 %, bei gleichzeitiger Leistungsverbesserung. Währen 2020 der Anteil der “ungenügenden” Leistung in China noch bei 13 % lag (APAC bei 10 %) und der der “teilweisen” Leistung bei 65 % in China und 57 % in APAC, liegen diese Werte in 2024 für chinesische Unternehmen bei nur noch 42 % mit teilweiser Leistung, 7 % nur noch bei “ungenügend” - dafür bei “guter” Leistung mit einem Anstieg von 21 % auf 42 % und 9 % sogar mit “fortgeschrittener” Leistung. Ähnliche Entwicklungen sind in APAC zu verzeichnen, hier hat sich der Prozentsatz der ungenügenden Leistung auf 37 % reduziert und 47 % liegen bei guter Leistung, 11 % bei fortgeschrittener Leistung.

5. Vergleich konkreter Maßnahmen: Deutschland mit Nachholbedarf bei operativer Umsetzung

Die Größe eines Unternehmens hat entscheidenden Einfluss auf die Implementierung nachhaltiger Beschaffungspraktiken. In Deutschland haben 80 % der Unternehmen mit über 1000 Mitarbeitenden einen Supplier Code of Conduct etabliert, gegenüber nur 28 % bei Unternehmen mit 25-99 Mitarbeitenden und 46 % bei 100-999 Mitarbeitende. Ähnliche Unterschiede zeigen sich bei Lieferantenbewertungen, Risikoanalysen und Trainings. Dies unterstreicht die Bedeutung von Skaleneffekten und interner Compliance-Kapazität.

Ein genauer Blick auf die nachhaltigen Beschaffungspraktiken großer Unternehmen zeigt: Deutschland ist gut aufgestellt, bleibt im Vergleich zu Ländern wie Schweden und Frankreich jedoch zurück. Während 88 % der deutschen Unternehmen einen Supplier Code of Conduct etabliert haben, liegt Schweden hier bei 89 %. In Bereichen wie Lieferantenbewertungen (68 % in DE vs. 83 % in FR) oder Trainings für Einkäufer*innen (44 % in DE vs. 60 % in FR) zeigt sich eine deutliche Lücke. Auch bei On-Site-Audits und Kapazitätsaufbau bei Lieferanten liegt Deutschland unter dem EU-Spitzenwert und hat Aufholbedarf, um mit den besten Praktiken Europas Schritt zu halten.

6. Thematische Stärken: Arbeits- und Menschenrechte solide adressiert


Im Bereich "Labor and Human Rights" erzielen große deutsche Unternehmen (>1000 MA) mit rund 58 Punkten ein gutes Niveau, liegen damit jedoch hinter Österreich, Schweden und Frankreich (alle über 60 Punkte). Dies verdeutlicht, dass trotz positiver Entwicklungen weiteres Potenzial in der menschenrechtlichen Sorgfalt liegt – insbesondere angesichts der zukünftigen Anforderungen der CSDDD.

7. Branchenvergleich: Deutschland stark in Heavy Manufacturing, schwächer im Baugewerbe


Eine differenzierte Betrachtung nach Branchen zeigt signifikante Unterschiede innerhalb Deutschlands. Die besten Scores erreichen deutsche Unternehmen im Bereich Heavy Manufacturing (63,2), Finance & Consulting (61,3) sowie ICT (60,1). Besonders positiv ist, dass Deutschland hier auf Augenhöhe mit oder sogar über dem EU-Durchschnitt liegt. Deutlich schwächer sind hingegen die Werte in der Bauwirtschaft (Construction, 52,2) und im Transportsektor (50,9). Gerade in diesen Sektoren, die stark durch Subunternehmerstrukturen und komplexe Lieferketten geprägt sind, zeigt sich ein erhöhter Handlungsbedarf hinsichtlich Risikoanalysen, Trainings und ESG-Standards.

 

Fazit

Deutschland bewegt sich im internationalen Nachhaltigkeitsbenchmark auf solidem Niveau, verzeichnet Fortschritte, bleibt jedoch in der operativen Tiefe und bei KMU deutlich hinter den Spitzenreitern zurück. Besonders die nachhaltige Beschaffung stellt ein zentrales Entwicklungsfeld dar. Vor dem Hintergrund verschärfter EU-Regulierung (CSDDD, CSRD) und erhöhter Transparenzanforderungen müssen Unternehmen in Deutschland – insbesondere im Mittelstand – ihre Due-Diligence-Strukturen professionalisieren. Chancen liegen im Aufbau standardisierter Lieferantenmanagementsysteme, in der Verstetigung von Assessments sowie in der gezielten Schulung der Einkaufsabteilungen. Nur so kann Deutschland den Anschluss an die europäischen Vorreiter langfristig halten.

Über den Autor

EcoVadis DE

EcoVadis ist ein zweckorientiertes Unternehmen, das sich zum Ziel gesetzt hat, Nachhaltigkeitsinformationen in jede Geschäftsentscheidung weltweit einzubinden. Mit globalen, vertrauenswürdigen und umsetzbaren Ratings vertrauen Unternehmen jeder Größe auf die detaillierten Erkenntnisse von EcoVadis, um ESG-Vorschriften einzuhalten, Treibhausgasemissionen zu reduzieren und die Nachhaltigkeitsleistung ihres Unternehmens und ihrer Wertschöpfungskette in 250 Branchen und 185 Ländern zu verbessern.

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