Nachhaltigkeit im Logistiksektor – Chancen & Herausforderungen

July 3, 2019 EcoVadis EN

Warum Nachhaltigkeit?

Die Anforderungen an Unternehmen zu Corporate Social Responsibility (CSR) und Nachhaltigkeit sind in den letzten Jahren von vielen Seiten rasant gestiegen. Gleichzeitig wachsen die Risiken für Reputationsschäden und Geschäftsverluste. Negativmeldungen über durch Unternehmen verschuldete Umweltverstöße oder unzureichende Arbeitsbedingungen beim Unternehmen selbst oder bei seinen Zulieferern können zu massiven Verlusten führen – sowohl bezüglich des Aktienwerts, als auch in Bezug auf Vertrauen von Investoren, Kunden, Konsumenten, Mitarbeitern und Geschäftspartnern. Dies kann eine Minderung des Unternehmenswerts zur Folge haben.

Die Anforderungen an das nachhaltige Engagement eines Unternehmens sind vielfältig: Von mitarbeiterbezogenen und zum Teil gesetzlich verankerter Themen wie fairer Bezahlung und Arbeitszeiten sowie Gesundheits- und Sicherheitsmaßnahmen, hin zu organisatorischen Themen, wie der Reduzierung des Papierverbrauchs und Einführung von digitalen, nachhaltigeren Lösungen. CSR-Themen und die damit verbundenen Chancen und Risiken sind für jedes Unternehmen individuell zu ermitteln und müssen mit Blick auf Branche und Geschäftstätigkeit analysiert werden.

In den globalen Beschaffungsketten und Einkaufsprozessen, die wir heutzutage vorfinden, ist die Logistik- und Transportbranche in diesem Zusammenhang die Schnittstelle zwischen Produzenten und Lieferanten, zwischen Einkäufern und Lieferanten und Endproduzenten sowie Endproduktverbrauchern. Ohne diese Schnittstelle von Logistik und Transport wäre die globale, zeitabhängige Beschaffung und Vermarktung nicht umsetzbar.

HEC Barometer EV_DE

Beschaffung und globaler Einkauf im Wandel

Für Einkaufsorganisationen treten die Faktoren CSR und Nachhaltigkeit immer mehr in den Vordergrund. Laut Umfrageergebnissen aus dem Sustainable Procurement Barometer 2017 von HEC/EcoVadis, sehen 74% der Unternehmen Nachhaltigkeit und CSR als wichtige Prioritäten in ihrem Einkauf und weitere 23% bewerten CSR/Nachhaltigkeit als kritisch in ihren Beschaffungsprioritäten.

Die wachsende Bedeutung von CSR/Nachhaltigkeit in den Beschaffungsstrategien vieler Unternehmen hat mittel- und langfristig einen direkten Einfluss auf alle Geschäftspartner und Zulieferer entlang der globalen Lieferkette. Dabei verändert sich auch die Beschaffung. Preis, Qualität und Lieferzeit sind für viele Unternehmen zwar nach wie vor die entscheidenden Beschaffungskriterien. Um Risiken entlang der Lieferkette zu reduzieren und den vielfältigen Anforderungen durch Stakeholder gerecht zu werden, ist das Thema Nachhaltigkeit entlang der Wertschöpfungskette jedoch ein nicht mehr zu ignorierender Weichensteller.

Nachhaltigkeit Infografik
 

Damit wächst die Bedeutung von CSR auch für die Transport- und Logistikbranche. Denn auch diese Schnittstelle wird in die Beschaffungsziele und die Bewertung der Performance der Lieferanten einbezogen. Zusätzlich lässt sich ein Trend beobachten: CSR-Kriterien werden immer mehr in RFP und Ausschreibungen miteinbezogen und entwickeln sich im Logistik- und Transportsektor somit zu einem wichtigen Kriterium der Wettbewerbsfähigkeit. Hierbei sind zunächst die branchen- und geschäftsspezifischen CSR-Themen, wie CO² und Treibhausgase relevant. Gleichzeitig spielen aber auch Themen wie Arbeitsbedingungen eine gewichtigere Rolle, da sie Risiken für das eigene Unternehmen und das Geschäftsfeld bieten. Kein Unternehmen kann diese Anforderungen oder Herausforderungen auf einmal bewältigen – weder mit finanziellen Ressourcen noch personell bezüglich des erforderlichen Change-Managements.

Wichtig ist hierbei jedoch, dass es nicht nur um die Verbesserung der eigenen CSR-Leistung geht, sondern auch die CSR-Leistung von Lieferanten entlang der gesamten Lieferkette miteinbezogen werden muss. Insbesondere in der Logistik- und Transportbranche ist eine Umstellung auf “nachhaltig” aufgrund der aktuell benötigten Rohstoffe wie Benzin, Kerosin und Diesel nicht von 0 auf 100 möglich. Gleichzeitig merken Unternehmen in dieser wie in anderen Branchen verstärkt, dass hier innovative Fortschritte und nachhaltige Verbesserungen von allen Seiten gefordert werden.

Viele Unternehmen stehen beim Thema nachhaltige Beschaffung und Lieferketten noch am Anfang der Reise und sehen sich mit einer Vielzahl von Herausforderungen und Fragen konfrontiert. Andere wiederum sehen noch nicht die Notwendigkeit dieser Thematik für ihr Geschäftsbestehen oder keinerlei Relevanz für ihre Geschäftstätigkeit.

Analysieren, Ziele setzen, Strategie entwickeln

Wie im ersten Teil der Artikelreihe gezeigt, ist es fundamental, die Beschaffungsprioritäten nicht mehr isoliert zu betrachten, sondern Nachhaltigkeit als Schnittstelle der drei wichtigsten Bewertungsfaktoren des Beschaffungswesens zu sehen. Und so einen allgemeinen Rückgang des Unternehmensrisikos, eine Kostenreduktion sowie Ertragssteigerungen durch die Kombination von nachhaltigen Produktinnovationen und Nachhaltigkeit zu erzielen. Richtig implementiert, sollte das Thema Nachhaltigkeit als KPI in alle Prozesse eines strategischen Einkaufsmodells integriert werden. Zur Entwicklung einer effektiven nachhaltigen Beschaffungsstrategie muss zunächst einmal die Ausgangssituation identifiziert und analysiert werden. Es gibt unterschiedliche CSR-Reifegrade, und als erster Schritt ist es fundamental, individuell zu definieren, was Nachhaltigkeit und nachhaltige Beschaffung für jeden Bereich der Organisation bedeuten und welche Reifegrade in diesen Bereichen vorhanden sind.

Wichtig ist es, diese Phasen als CSR-Reise anzusehen und nicht als statische Definitionen. Bereiche, die sich in der reaktiven Phase befinden, haben bereits anfängliche Maßnahmen implementiert, die aber im allgemeinen auf kundenseitigen oder stakeholderseitigen Anforderungen basieren. “Responsiv” beschreibt die Phase, in der begonnen wird zusätzliche Verfahren zu implementieren und mit anderen strategischen Partnern zusammenzuarbeiten. In der „proaktiven“ Phase wird mit der systematischen Umsetzung von Richtlinien und Verfahren begonnen und der Umfang des Projekts wird eventuell auf andere Regionen, Geschäftsbereiche usw. ausgeweitet. „Innovativ“ bezieht sich auf Unternehmen, für die das Konzept der Nachhaltigkeit vollständig in die Strategie und die operative Tätigkeit der Beschaffung integriert ist. Diese Unternehmen nutzen Nachhaltigkeit, um Innovationen zu entwickeln, die zu einer entscheidenden Differenzierung ihrer Produkte und Dienstleistungen führen.

Diese Entwicklungsstufen hängen natürlich fundamental mit der internen Organisationsstruktur zusammen. Diese CSR-Reifegrade sind nicht als Skalierung von “negativ” zu “positiv” zu betrachten, sondern jedes Unternehmen, das extern oder intern getrieben, erste Maßnahmen und Schritte zur Verbesserung der eigenen CSR-Leistung ergreift, begibt sich auf die Reise zu sozialer, ökologischer und ethischer Verantwortung und geht damit einen immensen Schritt über reine Compliance oder Gesetzeskonformität hinaus Richtung Nachhaltigkeit und damit Richtung Zukunftsfähigkeit.

Wie voranstehend ausgeführt, bildet die Transport- und Logistikbranche eine Schnittstelle, deren Bedeutung in der globalen Produktion und Distribution weiterhin zunehmend ist. Prozesse und Optimierungen in diesen Bereichen, wie etwa die Optimierung von Transportwegen, Vermeidung von Leerfahrten oder klimaneutrale Transport- und Speditionsarten, sind nicht nur nachhaltiger, sondern rentieren sich auch letztendlich finanziell und bieten zusätzliche Wettbewerbsvorteile, da immer mehr Unternehmen nachhaltige Beschaffung und damit auch nachhaltige Transportmöglichkeiten in den Fokus nehmen und die Leistungen im CSR-Bereich bewerten lassen. Damit wird CSR ein Entscheidungskriterium für neue Partnerschaften und Verträge.

Nachhaltigkeit als Zukunftsfaktor

Wie auch in vielen anderen Branchen, besteht auch in der Logistik- und Speditionsbranche Nachwuchs- und Fachkräftemangel. Insbesondere die Logistikbranche steht aktuell negativ in den Medien, nachdem eine Investigate-Europe-Recherche massive Missstände, insbesondere bei den Arbeitsbedingungen osteuropäischer Lkw-Fahrer im Fernverkehr, ans Licht gebracht hat. Die Problematik die hier auftritt zeigt, dass hier CSR-Handlungsbedarf besteht, denn anstatt dem Personalmangel mit höheren Löhnen und sozialverträglichen Arbeitszeiten entgegengewirkt wird, nutzen große Transportunternehmen und ihre Kunden die billigere Lösung mit Fahrern aus dem Ausland und bewirken damit, dass auch in Westeuropa Arbeitsbedingen und Löhne nicht nur nicht verbessert werden, sondern gegebenenfalls sogar verschlechtert werden, um im als KMU im Wettbewerb bestehen zu können. Für Deutschland zeigen die Ergebnisse des EcoVadis CSR Risk & Performance Index 2018 für KMU (26-999 Mitarbeiter) in der Transportbranche im Zeitraum 2015-2017 eine stetige Verbesserung im Gesamtdurchschnitt der CSR-Leistungsbewertung.

Transport EcoVadis
© EcoVadis 2018

Auch in den einzelnen Themen Umwelt, Arbeits- & Menschenrechte, Nachhaltige Beschaffung und Ethik verbessert sich der Durchschnitt seit 2015 bei deutschen KMU der Branche konstant.

Gehen Sie über den traditionellen Silo-Ansatz hinaus

Die Index Ergebnisse zeigen, dass CSR nicht zurückgestellt wird, sondern im Fokus bleibt und Maßnahmen ergriffen werden, um die CSR-Leistung zu verbessern. Dadurch bieten sich für Unternehmen in der Transport- & Logistikbranche neue Potenziale, um dem Personalmangel weiter entgegenzuwirken und gleichzeitig neue Konzepte und Ansätze für Optimierungen von Transportwegen oder Fuhrparks aber auch von Logistikimmobilien und Energieeffizienz zu entwickeln. Gleichzeitig sollte man Reputation und Image nicht vergessen, denn immer mehr Endverbraucher fokussieren nachhaltigen Konsum. Diese Nachhaltigkeitsmaßnahmen bedeuten natürlich Investitionskosten, alle genannten Elemente bedeuten jedoch auch eine Senkung der Betriebskosten.

Umso wichtiger ist die Entwicklung der individuellen Strategie und deren Abstimmung mit der allgemeinen Geschäftsstrategie. Unabhängig von Branche und Unternehmensgröße ist eine Grundlage zur Entwicklung einer effektiven Strategie für Nachhaltigkeit, einen kollaborativen Ansatz zu schaffen und Fachkompetenzen aus verschiedenen Unternehmensbereichen und Kernfunktionen zusammenzubringen. Somit können Sie nicht nur CSR-Kriterien in den Einkauf oder in Geschäftsbeziehungen einbeziehen, sondern auch bspw. mitarbeiterbezogene Maßnahmen entwickeln und fördern. Gleichzeitig können so auch kleinere Unternehmen Ressourcen für ihre CSR-Reise bündeln, neue Ansätze entwickeln und umsetzen ohne direkt ein komplettes CSR-Team aufzustellen zu müssen.

Ziele setzen und kommunizieren

Bei der Zielsetzung für Nachhaltigkeit ist es erneut wichtig, die übergeordnete Geschäftsstrategie einzubeziehen. Gibt es Ziele oder auch Verpflichtungen, die übergeordnet sind? Gibt es spezifische KPIs, die aufzeigen, was nötig ist, um die Ziele oder Verpflichtungen zu erreichen? Was muss gemessen werden, um dies zu erreichen? Durch die Festlegung von Zielen und Zugeständnissen verstehen auch die Stakeholder den Mehrwert der Maßnahmen und was sie dazu beitragen oder auch welchen Mehrwert sie dadurch haben. Wichtig sind hier realistische KPIs, die erreichbar sind und somit auch das Team motivieren. Kein Unternehmen kann alle CSR-Anforderungen mit allen Stakeholdern in einem Schritt umsetzen oder erfüllen, daher ist hier die Priorisierung und Zielsetzung einzelner CSR-Etappen überaus wichtig.

Der nächste Schritt betrifft die Formalisierung und Kommunikation der Strategie und Maßnahmen. Hier ist es immer sinnvoll, Mitarbeiter vorab schon einzubinden und zu informieren. Gute Kommunikation ist ein weiterer Schlüsselfaktor zum Erfolg, nur wenn Mitarbeiter etwas verstehen, werden sie es auch mittragen oder gar als Promotoren weitertragen. Eine formalisierte und klare Kommunikation bietet Transparenz für alle Stakeholder und hilft Ziele zu erreichen auf allen Seiten: beim Management, bei Mitarbeitern um sie für sich zu gewinnen, bei externen Stakeholdern und auch bei Suche nach innovativen Partnern.

Dieser Artikel wurde usprünglich auf logistik-watchblog.de veröffentlicht.

 

Über den Autor

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